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Wie Kopfmenschen lernen loszulassen (Rezension)

Buch: Entspannung für Kopfmenschen

Texter*innen arbeiten, auch wenn sie in die Tasten hauen oder dem Stift auf Papier das Laufen lehren, überwiegend mit dem Kopf. Vor jedem Text, egal ob Blogbeitrag, Ratgeberartikel oder ganzes E-Book, gilt es, Ideen zu sammeln und die Gedanken zu sortieren. Erst dann geht es ans Werk. Doch nach der Arbeit will das Gedankenkarussell oft nicht stillstehen. Dabei Kreisen die Gedanken irgendwie in alle Richtungen. Gut möglich, dass sie mit den heute erstellten Texten gar nichts zu tun haben. Nein, sobald eine Sache auf der To-do-Liste abgehakt ist, stürzen wir uns auf die nächste Aufgabe. Auf Dauer ist das richtig anstrengend. Wir müssen auch mal abschalten, aber wie?

Entspannung für Kopfmenschen: Wie du mit einfachen Alltagsritualen zur Ruhe kommst

Sonja Panthöfer hat ein Buch zur Entspannung für Kopfmenschen* geschrieben. Also für alle, die manchmal in ihrem Dachstübchen versacken und nicht mehr runterkommen.

„Ist das Denken Ihre Richtschnur? Ihr angeborener Kompass, mit dem Sie die Welt erfassen, erkennen und, wenn es gut läuft, auch verstehen? Dann sind Sie einer von vielen Kopfmenschen. Als kluger Kopf zählt es zu Ihren Qualitäten, vernünftig und rational zu sein. Zugleich tun Sie sich vermutlich mit Gefühlen und dem Körper schwer.“

Rational und vernünftig sind jedoch bestimmt nicht die ersten Worte, die mir oder Menschen, die mich kennen, in den Sinn kommen würden, um meine Person zu beschreiben. Wirklich impulsiv oder gar unvernünftig bin ich hingegen auch nicht. Wer ist das schon? Doch allein, dass ich mich mit dem Schubladendenken schwertue, spricht für eine differenzierte und, wenn man so will, verkopfte Sichtweise. Wahrscheinlich bin ich 50/50 Kopf- und Bauchmensch und du womöglich auch. Von der im Titel mitschwingenden Begrenzung der Zielgruppe sollte man sich jedenfalls nicht abschrecken lassen.

Stress und rasende Gedanken gehen uns alle an. Mal mehr, mal weniger. Also nur zu! Und schon ist das Buch aufgeschlagen. In kurzweiliger Manier umreißt die Autorin zunächst, was mit der Trennung von Kopf und Körper bzw. Kopf und Bauch gemeint ist. Dass die dazwischen klaffende Lücke, die seltsame Verschiebung weg vom Bauchgefühl und hin zum Denken mehr Zeitgeist als persönliches Charakteristikum ist, erschließt sich zwischen den Zeilen. Na ja, aber irgendeinen Aufhänger braucht man eben, nicht?

Was die Autorin zu unserer Zeit zu sagen hat und ihre kleinen Abstecher zur Philosophie sollen das Büchlein inhaltlich unterfüttern, sind für mich aber weitestgehend einfach nichts Neues. Manches erscheint mir derart kurz angerissen, dass der Eindruck entsteht, sie hätte vor dem Schreiben das Internet anhand von Zitate-Memes durchforstet. Diese Oberflächlichkeit sowie die ausbleibende Auszeichnung gewisser Zitate als solche haben das Lesevergnügen für mich geschmälert. Ein Satz, der sich mehrfach im Buch findet, ist nicht nur der allseits bekannte Spruch „Ich denke, also bin ich“ von René Descartes, sondern auch der pfiffige Aphorismus „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“, der aus der Feder des französischen Surrealisten Francis Picabia stammt. Das sollte man dann jedoch auch genauso kenntlich machen.

Positiv möchte ich hingegen hervorheben, wie einfühlsam die Autorin ans Werk geht. Von der eingangs angeführten Definition eines typischen Kopfmenschen einmal abgesehen, spart sich die Autorin wertende Annahmen über den Leser oder die Leserin. Annahmen darüber, wie ich womöglich ticke, gestrickt bin oder was ich brauchen könnte, sind insbesondere in englischsprachigen Ratgebern zur sogenannten Selbstoptimierung allgegenwärtig. Eine solche wertende Haltung empfinde ich stets nur als eins: nervig. Sonja Panthöfer spart sich solche Werteinheiten und genau deshalb bleibt man am Ball oder – in diesem Fall – am Buch.

Lohnt sich die Leseausdauer denn am Ende? Ja, am meisten schätze ich das Buch für die grau unterlegten Kästen, die mit „Alltagsritual“ überschrieben sind. Darin stecken stresslindernde Übungen, die man wirklich in den Alltag integrieren kann. Anders als bei Achtsamkeits- oder Meditationsbücher, wo ich mir eben doch zumindest fünf bis zehn Minuten Zeit an einem ruhigen Ort nehmen sollte, um irgendeine Veränderung zu spüren, kann ich mit Sonja Panthöfers Übungen jetzt und hier und überall anfangen. Zum Beispiel an der Supermarktkasse oder in der U-Bahn. Einige Übungen taugen auch dann, wenn gerade Not am Mann oder an der Frau ist, wenn uns der Stress bis zum Hals steht und wir sofort Hilfe brauchen, um uns wieder zu erden.

Das Buch schießt damit übers Ziel hinaus. Der letzte Abschnitt bietet beispielsweise hilfreiche Tipps, um in Konfliktsituationen nicht den Kopf zu verlieren. Sonja Panthöfer hat damit eine Vielzahl der Stressfaktoren miteinbezogen, mit denen wir uns konfrontiert sehen können, und liefert damit ein umfassendes Handwerkszeug, um mit solchen Herausforderungen umgehen zu lernen. Da möchte ich ihr verzeihen, dass sie an anderer Stelle nur an der Oberfläche kratzt. Das Buch müsste sonst wohl über 400 statt so nur 223 Seiten haben. Wer entspannen möchte, will sich aber nicht erst durch einen Schmöker durcharbeiten müssen. Außerdem: Ein Ratgeber ist eben keine Einführung in die Philosophie. Das sollte ich beim Lesen, Kopf-/Bauchmensch hin oder her, einfach im Hinterkopf behalten.

Zusammenfassung:

  • „Entspannung für Kopfmenschen“* von Sonja Panthöfer
  • Entspannungsübungen, die sich in den Alltag integrieren lassen
  • empf. VK-Preis: € 18,00 [D], € 18,50 [AT], CHF 25,90
  • Taschenbuch, erschienen am 29.10.2018
  • ISBN: 978-3-466-34694-3

Ich bedanke mich beim Kösel-Verlag für das gratis zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar. Die gemachten Angaben sind weder vom Verlag noch von der Autorin oder anderen beeinflusst worden und entsprechen meinen eigenen Ansichten.

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